Hilmar Ebert, Aachen

Kombiniere ... Matt!

Lektion 3: Von Botwinnik bis Karpow.

 Eine besondere Faszination geht seit eh und je von Kombinationen aus, die das „Ziel aller Ziele“ im Schachspiel, das Matt, entweder zwingend verwirklichen oder doch zumindest als Idee beinhalten – als tragender Pfeiler, als glanzvolle Höhepunkte der Partie!

 Nach Aljechins "Apéritif" und den Vorspeisen der alten Meister genehmigen wir uns ein kräftiges Hauptgericht in sieben Gängen: Die Weltmeister nach Aljechin kommen zu Wort, wiederum mit je ei­nem würdigen (und würzigen) Beispiel!

 In der nächsten Folge wird uns dann Kasparow einen uvergleichlichen Nachtisch schenken ...

1

Botwinnik - Capablanca

Amsterdam, 1938

Weiß am Zuge

2

Polugajewski - Smyslow

Moskau, 1960

Schwarz am Zuge

3

Tal - Somanis

UdSSR, 1970

Weiß am Zuge

 4

Petrosjan - Pachman

Bled, 1961

Weiß am Zuge

5

Hartoch - Spassky

Amsterdam, 19..

Schwarz am Zuge

6

Fischer - Benkö

USA-Meisterschaft, 1963/64

Weiß am Zuge

 7

Karpow - Zsoldos

Ungarn, 1973

Weiß am Zuge

Lösungen:

Nr.1: Botwinnik selbst gab zu, zu Beginn dieser berühmten Kombination nicht sicher die erfolgreiche Schachflucht des weißen Königs überblickt zu haben ...:

1.La3!! leitet per Weglenkung der Dame 1...Da3: das Opfer 2.Sh5+! ein -  2...gh5:  3.Dg5+ Kf8  4.Df6:+ Kg8  5.e7! (droht df8 matt!) 5...Dc1+  6.Kf2 Dc2+  7.Kg3 Dd3+  8.Kh4 De4+  9.Kh5: De2+  10.Kh4 De4+  11.g4 De1+  12.Kh5 aufg., da kein Schachgebot mehr vorhanden ist; übrigens hätte 6...Dd2+  7.Kg3 De3+  8.Kh4 De1+  9.Kh5: De2+  10.Kh4 De1  1..g3 De4  12.g4 und Einmündung in die gespielte Variante nichts Entscheidendes geändert, 4...Ke8?  5.Df7+ sofort zum Matt geführt (6.Dd7#). Und wenn Capablanca den Läufer verschmäht hätte?! 1...De8(!) - damit gegen Dg5+ die Dame dazwischenziehen könnte - 2.Dc7+! Kg8(!) - denn 2...Kh6?  3.Df7! entscheidet sofort - 3.Le7! sg4  4.Dd7 Da8  5.Ld8! beweist, dass die Annahme des Opfers mit Versuch eines Dauerschachs noch die besten praktischen Chancen bot ...

Nr.2: 1...Th6+?  2.Kg2 Te1?!, daher zuerst 1...Te1! und nach erzwungenem 2.Kg2(!) folgte Te3!! - und Weiß gab entnervt auf, da nach 3.fe3: Df1+  4.Kh2 Th6+ das Matt auf h3 folgt, andernfalls 3...Tg3:+  4.gf3: Df1+  droht; dagegen hilft auch 3.Td3?! De4+!! (4.Kg1/Kh2 Te1+/Th6+!) 4.f3? Dd3! nichts. Versuchen wir 3.Te3?! De3:  4.Te2?!, so ist auch hier nach 4...Dg4  5.Kf1 Dh3  6.Kg1 Th6  7.fe3: Dg3!! von einem Mattfinale gekrönt: 8.Tg2 De1 matt bzw. 8.Kf1 Th1 matt!

Nach der Mephisto-Idee 3.Dd1!! allerdings verbleibt nach 3...Tg3:+  4.fg3: De4+  5.Kg1! Tf3  6.Kh2?! kein forcierter Weg - oder findet einer unserer Leser eine geniale Fortsetzung nach 3.Dd1! ...?!

Nr.3: Sofortiges 1...Tg2:? hatte 2.Df8+ Kf6  3.Dh8+ Kg5  (Ke7?  4.Te1+)  4.Tf5+!! (mit 4...gf5:  5.Dd4:) zur folge, daher zog Spassky raffiniert 1...Le8!!, worauf die Drohung 2.Dg2:! in der Tat an Macht gewinnt: 3.De7+ Kh6  4.Df8+ Dg7! (4...Kh5?  5.Tf5+!) - denn nach 5.Dg7:+ Kg7: ist der Läufer auf e8 Tabu (6.Te8:?? Th2+  7.Kg1 Tcg2 matt!).

Weiß deckte folglich den Läufer g2 mittels 2.Tg1?!, gab aber nach 2...Dg1:!! sofort auf, die "brutale" Mattführung nach 3.Kg1: Tg2+  4.Kh1 Th2+  4.Kg1 Tcg2+  6.Kf1 Lb5+! (und Matt im 8. Zug) wollte er sich nicht mehr demonstrieren lassen ...

Nr.4: 1.Df6:!! zieht den schwarzen König in das weiße Lager hinein, da (1...Kf8??  2.Dh8 matt wegen der Fesselung auf e7!) 1...Kg8? Haus und Hof verliert;  1...Kf6:  2.Le5+ Kg5  (nach 2...Kf5 ist das Matt nach 3.Tf4+ Kg5  4.Lf6+ nebst 5.Th4 matt noch schneller realisiert) 3.Lg7!! schneidet den Rückweg vollends ab! Schwarz gab auf, gegen die Mattdrohungen mittels h4+ und Lf3 ist (mit spätestens Matt im 7. Zug) kein Kraut mehr gewachsen ..., z. B. 3...Td3  4.cd3: Kh5  5.Th4+ Kg5  6.f4+ und Matt.

Nr.5: Nach 1.Lg6:! wich Schwarz zwar klugerweise der Annahme aus (1...fg6:?  2.Tg7:+! Kg7:  3.De7+ mit unvermeidlichem Matt), aber 1...ba2: erwies sich nach 2.Lf6: a1D+?! (2...Lf6:?  3.Dh6!) 3.Kh2 keineswegs als der erhoffte Griff in die Schatzkiste:  3...Dac3 leistete ohnehin nichts gegen die Drohung 4.Te8+ (4...Te8:  5.De8:+ bzw. 4...Lf8  5.De7), aber Tal, der seinen Gegner längst wieder einmal "hypnotisiert" hatte, verwies nun humorvoll auf die zweite Waffe 4.Lf7:+ aufg. (4...Kh7?  5.Lg6+ Kg6:  6.Dg5+ nebst 7.Dg7: matt, bzw. 4...Kf8  5.Te8+! Kf7:  6.De7+ Kg6  7.Dg7:+ und 8.Dg5 matt).

Aber auch im dritten Zug hätte Lf6?! gegen 4.Dh6! nichts mehr ausrichten können: 4...Le5+  5.Te5: fg6:?! (da 5...De5:?  6.Dh7+ und 7.Df7 matt)  6.Dg6:+ (oder 6.Te7) mit baldigem Matt. Der Tal'schen Gedankendschungel ist verblüffend korrekt und effektiv, auch im ersten Zug sind schwerlich Widerlegungen zu entdecken (1...Scd7?! ist zäh, aber materiell aussichtlos).

Nr.6: Nach dem Geniestreich 1.Tf6!! ist 1...Kg8(!) erzwungen, da 1...Dc3:? 2.e5! zum matt führt (2...h6  3.Th6:+ Kg8  4.Th8+ Lh8:  5.Dh7 matt); es folgte 2.e5! h6  3.Se2!! (3.Td6? De5:!) und Weiß gab auf, denn zieht der Springer (3...Sb5?), führt 4.Df5! zum Matt, schlägt der Läufer auf f6, genügt einfach 4.Dh6: nebst Matt, und 3...De7(!) verliert den Springer (4.Td6:) ersatzlos. Eine Kombination von bestechender Eleganz!

Nr.7: Von Karpow dürfte es nicht viele Beispiele einer solchen zwingenden und matt-orientierten Schlusskombination geben: 1.Se5:!! De2:? (1...De5:?  2.De5:+ Kh6  3.Th8+ und Matt in 2 Zügen) 2.Tg7+! Kh6  3.Th8 Kg5  4.Tg8 Kh4 (4...Kh6?  5.Tg6 matt) 5.Sg6+ und nun war, statt 5...Kg5?  6.Se7+ Kh4  7.Sf5 matt die Erwiderung 5...Kg3(!) etwas hartnäckiger, aber letztlich ebenso aussichtslos: 6.Se7+ Dg4  7.Tf3+ Kh4  8.Sf5+ Df5: 9.Tf5: nebst Matt! Hätte Schwarz also das Damenopfer mittels 1...Dc8:?! ablehnen sollen?  2.Tf7+! Kh6 (2...Kg8? 3.De4 bzw. 2...Kh8?  3.De4 Dg8  4.Sg6+ mit baldigem Matt) 3.Dd2+! stellt auch dann die Unentrinnbarkeit nach dem Damenopfer unter Beweis: 3..Lg5  4.Tf6+ Kh7  5.Dg5: Tg7  6.Dh6+ Kg8  7.Sg6! und baldiges Matt.