# 113
by
©
Hilmar Alquiros,
Philippines
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Hilmar Ebert, Aachen
Kombiniere ... Matt!
Lektion 2: Von Philidor bis Euwe.
Eine besondere Faszination geht seit eh und je von Kombinationen aus, die das „Ziel aller Ziele“ im Schachspiel, das Matt, entweder zwingend verwirklichen oder doch zumindest als Idee beinhalten – als tragender Pfeiler, als glanzvolle Höhepunkte der Partie!
In Lektion 1 hatten wir uns den genialen Kombinationskünstler Aljechin gleichsam als "Apéritif" gegönnt ..., natürlich hatten auch die anderen führenden Meister ihrer Zeit ihre mattkombinatorischen Sternstunden! Heute wollen wir daher - als Vorspeise - die inoffiziellen und regulären Weltmeister bis Aljechin bitten, uns je ein forciertes Exempel ihrer Mattideen vorzuführen. Als "Hauptspeise" werden in der nächsten Folge die Weltchampions nach Aljechin ein gleiches tun - von Botwinnik bis Karpow. Und die Nachspeise wird vom Meister aller Meister serviert werden: Kasparow mit einigen Beispielen seiner frühen Werke (unter Elo 3000) ...!
1 Philidor - Brühl London, 1789
Weiß am Zuge
2 Anderssen - Zukertort Barmen, 1869
Weiß am Zuge
3 Morphy - G. H. New York, 1857
Weiß am Zuge
4 N. N. - Steinitz USA, 1890
Schwarz am Zuge
5
London, 1912
6 Bernstein - Capablanca Moskau, 1914
Schwarz am Zuge
7 Keres - Euwe Zandvoort, 1936
Schwarz am Zuge
Lösungen:
Nr.1: Nach 1.La6! droht 2.Db7:#, wogegen 1...ba6: 2.Da8+ Sb8 3.O-O-O! nicht viel nützt, da das Qualitätsopfer den weißen Angriff nicht aufhalten kann; 1...Tb8 2.Dc6! und wiederum droht Matt (3.Dc7:#) 2...Ld8 3.Lg5!, und da nach 3...Dg4 4.Ld8 erneut Dc7# drohen würde, versuchte Schwarz noch 3...Dg5 4.Sg5: Lg5: 5.De6, gab aber sodann aufgrund des unvermeidlichen materiellen Nachteils auf. Auch 4...ba6: 5.Sf7 (droht Sd6#!) reicht nicht auf die dauer. Ein weiteres Mattbild wäre nach 1...c6? 2.Dc6:+ Kb8 3.Db7:# zu sehen gewesen.
Nr.2: Zwar würde auch der profane Weg 1.Sg5! Tg7 2.Se6 Tg3: 3.Tg3:+ (mit Matt im 7. Zug) genügen, aber Anderssen fand den schnellsten Weg über ein wunderschönes doppeltes (!) Hineinziehungsopfer auf h7: 1.Dh7! Kh7 2.f6+! Kg8 (2...Dd3: 3.Th3+ Kg8 4.Th8 matt) 3.Lh7! Kh7 4.Th3+ Kg8 5.Th8 matt (auch 4.g8D+ nebst 5.Th3 matt).
Nr.3: Die gleiche Stellung mit der gleichen Kombination soll - laut Reuben Fine - Steinitz sechs Jahre später (gegen Rock, London, 1863) "nachempfunden" (mit oder ohne Kenntnis der Morphy-Partie?!) haben! 1.De6:!! gewinnt mindestens eine Figur (1...fe6: bzw. 1..Sc4: 2.ef7:+ Kd7 3.Dc4:), denn nach 1...Sb3: ist das Matt nicht mehr zu verhindern: 2.ef7:+ Kd7 3.Le6+ Kc6 4.Se5+ Kb5 5.Lc4+ Ka5 6.Lb4+ Ka4 7.ab3: matt (oder Vertauschung der beiden letzten Zugpaare). Natürlich als Vorgabepartie ohne Turm a1 gespielt...
Nr.4: Nun zum Vergleich ein "echter" Steinitz, ebenfalls mit Turmvorgabe (Ta8) und Damenopfer: 1...Dh3:+! und nach der Annahme 2.Kh3: läuft alles wie am Schnürchen (Matt in 5 Zügen): 2...Se3+! 3.Kh4 Sg2+ 4.Kg(h)5 Tf5+ 6.Kg4 h5+ 7.Kh3 Tf2 matt! Nach der Ablehnung 2.Kg1(!) hätte Schwarz aufgrund der Turmvorgabe noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten: 2...Tf2! (3.Lf2:? Kh2: matt!) 3.Df3(!) Tf3: 4.Sf3: Sh2:!! (5.Lh2: Df3!) und die Lage des Weißen ist hoffnungslos (5.Sh2: Dg3:+ 6.Kh1 Df2! und der Läufer wird zusätzlich eindringen - eine typische "Mephisto"-Variante!).
Nr.5: Lasker verknüpfte in dieser Kombination auf subtile Weise materielle und mattkombinatorische Motive miteinander: Bevor das forcierte Matt angesagt werden konnte, setzte er den Schwarzen durch fortwährende Mattdrohungen unter Druck, ohne ihn noch einmal aus seiner Zwangsjacke entschlüpfen zu lassen ... 1.f8D+! opfert den starken Bauern, um die besagten Mattdrohungen ins Spiel zu bringen: 1.-Kf8: 2.Kf6! Lg8 (!) - (2.-Ke8? 3.Th8+ Lg8 4.Tg8: matt; auch 2.-Te8? führt zum sofortigen Matt: 3.Th8+ Lg8 4.Sd7 (g6) matt). 3.Te7 (droht Sg6 matt) Lh7 (!) - (3.-L-bel. 4.Sg6+ Kg8 5.Tg7 matt) 4.Th7:! Kg8 (es drohte Th8 matt) 5.Tg7+ Kf8 (!); Schwarz hoffte, durch die Beschwichtigungsgabe des Läufers den Freibauern in das Rennen führen zu können, aber 6.Tb7!! offenbart den Ernst der Lage: 6.-Te8? 7.Sg6+ Kg8 8.Tg7 matt oder 6.-Td8? 7.Sg6+ Ke8 8.Te7 matt; 6.-Ke8? 7.Te7+ Kf8 (7.-Kd8? 8.Sf7 matt) 8.Sg6+ Kg8 9.Tg7 matt; nach 6.-Kg8? 7.Tg7+ Kf8 8.Sg6+ Ke8 würde bereits der simple Turmtausch (9.Tg8+ etc.) genügen - was soll Schwarz also tun?! Mit 6.-Ta8 (!) hofft er noch einmal auf eine gelegentliche Befreiung aus der Zwangsjacke (Ta6+ ...). 7.Tf7+! Ke8 und Lasker sagte nun ein zwingendes Matt in 6 Zügen an: 8.Te7+ Kd8 (8.-Kf8 9.Sg6+ Kg8 10.Tg7 matt) 9.Sf7+ Kc8 10.Sd6+ Kd8 11.Ke6! Ta7 12.Ta7: bel. 13.Td7 matt (10.-Kb8 11.Tb7 matt). Hätte Schiffers 7.-Kg8 versucht, wäre zwar keine Mattansage möglich gewesen, aber 8.Tg7+ Kf8 9.Sg6 (d7)+ hätte den Turm gewonnen. Souverän und zwingend vorgetragen - im doppelten Sinne ... echt Lasker!
Nr.5: 1.Dh7:+!! reißt den Schwarzen aus allen Träumen: 1...Kh7: 2.Sf6:++ Kh6 (Kh8? 3.Sg6 matt) 3.Seg4+ Kg5 und nun suchte Lasker (wissentlich?!) den zwar nicht einzigen, aber durch Matt mittels langer Rochade geschmückten Pfad aus: 4.h4+ Kf4 5.g3+ Kf3 6.Le2+ (schneller: 6.O-O!/Kf1! -bel. 7.Sh2 matt!) Kg2 7.th2+ Kg1 8.O-O-O matt (oder Kd2 matt). Nach 4.f4+ käme "nur" die kurze Rochade zum Zuge: 4...Kh4(!) [4...Kf4 5.g3+ Kf3 6.O-O matt bzw. 5...Kg5 6.h4 matt] 5.g3+ Kh3 6.O-O (oder Lf1+/Lg2) und 7.Sf2 matt. Weiß hätte also ein matt in 7 Zügen ankündigen Können! Beides wird in "Schachcomputer - Gegner und Freund" von Pfleger & Weiner (S.111) falsch "berechnet": die Zügezahlen nach 4.f4+ und 4.h4+ sind jeweils von den "Nebenvarianten" abhängig ... auch der alte Mephisto hatte sich dort wohl zu wenig "problemhaft" bemüht ...
Nr.6: Es ist schwer, in den Partien der "Schachmaschine" Capablanca echte Mattkombinationen zu finden! Hier spielen Mattideen zumindest in Form des drohenden Grundlinienmatts (auf beiden Seiten!) mit: 1...Sc3:! 2.Tc3: Tc3: 3.Tc3: Db2!! und Weiß war um einen guten Zug verlegen! da 4.Db2:? an Td1 matt scheitert und 4.Dd3? an Da1+ (5.Df1 Dc3:), verbleiben vier ernsthaftere Versuche: I) 4.Td3 Dc1+ 5.Df1 (5.DD1? Dd1:+ 6.Td1: Td1: matt) Df1:+ 6.Kf1: Td3:; II) 4.Tc8 Db1+ 5.Df1 Df1: 6.Kf1: Tc8: und erneut bleibt ein schwarzer Turm einziger überlebender Offizier; III) 4.De1 Dc3: 5.Dc3: Td1+ 6.De1 Te1: matt; IV) 4.Tc12 Db1+ 5.Df1 Dc2 6.g3 Td1, nicht aber 5...Td1? 6.Tc8+! und die andere Grundlinie ist ungeschützt! Alles strahlt Capas "einfache", glasklare Logik aus ...
Nr.7: Auch Euwe stellte meist andere Drohungen als das Matt auf ... Hier sehen wir immerhin ein Beispiel mit latenter Mattdrohung gegen einen großen Gegner: 1...Sf4:! 2.Tf4: Dg3! beseitigt den Läuferschutz auf h2, so dass nach 3.Tf(e)e4? Th5! die Mattdrohung auf h2 entscheidet, Weiß gab daher auf; auch 3.Se4?! Df4: 4.Sc5: d2 5.Td1 Th5 6.f3 De3+ 7.Df2 Th1+ 8.Kh1: Df2 (und der nächste Turm rückt mit Mattgedanken an!) hätte das Leiden bloß verlängert ... |
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# 110: Kombiniere ... Matt! (I) Aljechin, der Zauberer.
Europa-Rochade S. 17-18
X 1990
# 113: Kombiniere... Matt! (II) Von Philidor bis Euwe.
Europa-Rochade S. 6
III 1991
# 115: Kombiniere... Matt! (III) Von Botwinnik bis Karpow.
Europa-Rochade S. 3
IV 1991
# 116: Kombiniere... Matt(-scheibe!).= Korrektur zu (II) Lasker!
Europa-Rochade S. 31
IV 1991
# 119: Kombiniere... Matt! (IV) Kasparow, der Hexenmeister.
Europa-Rochade S. 20
VII 1991
# 121: Kombiniere... Matt! (V) Der berühmte Herr N.N...
Europa-Rochade S. 29
X 1991
# 122: Kombiniere ... Matt! (VI) Small is beautiful...
Europa-Rochade S. „ER 11“ [Extra-Seiten]
XI 1991
# 123: Kombiniere ... Matt! (VII) Problemhafte Partiezüge...
Europa-Rochade S. „ER 10“ [Extra-Seiten]
XII 1991
# 126: Kombiniere ... Matt! (VIII) „Fern-Züge“ Erster Klasse.
Europa-Rochade S. 43
VI 1992
# 130: Kombiniere ... Matt! (IX) End(spiel)effekte...
Rochade Europa S. RE 16 [Extra-Seiten]
VI 1993
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Hilmar Alquiros,
The Philippines
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