# 147
by
©
Hilmar Alquiros,
Philippines
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Hilmar Ebert, Aachen
Humor im Schachproblem 1
® Die Schach-Lupe, III 1995 (erschienen V 1995)
Einleitung: Was Humor ist, darüber scheiden sich bekanntlich die Geister. Humorvoll kann man jedenfalls die Tatsache finden, daß sich offenbar niemand für humorlos hält! Daß es auch im Schach viel Humor gibt, ist wohl unzweifelhaft. Humor ist, wenn man trotzdem mattsetzt! Vor allem im Problemschach, wo es immer erst mal nicht geht. Wer’s nicht glaubt, schaue sich die folgenden Aufgaben an. Der Leser - und auch Löser?! - möge nun humorvoll darüber hinwegsehen, daß der Autor ausschließlich eigene Schachkompositionen zur Illustration verwendet: Für schachliche Gedanken und Einkleidungen immerhin, die neben der ästhetischen Erbauung ein Lächeln auf dem Antlitz des Betrachters anstreben ...
Nr. 1: Der Erstling (!) des Autors: Wie kann man den Bauern auf c3 stoppen, ohne den schwarzen König pattzusetzen?
Nr. 2: Eine atemberaubende Bereicherung der Endspieltheorie: Wie gewinnt man mit gleichfarbigen Läufern (einer muß durch Umwandlung entstanden sein!) gegen schwarze Bauern?
Nr. 3: Nicht gleich verächtlich die Nase rümpfen: Ist 1.kc7 wirklich ein Matt?!
Nr. 4: Zum heutigen Abschluß etwas für starke Nerven: unter der geballten Weltelite im Andernacher Löseturnier 1988 fand nur ein Experte den versteckten Weg! Wer macht ihm das nach - ohne Computer, versteht sich ... und ohne nach der Lösung zu schielen? |
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Nr. 1 |
Nr. 2 |
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Hilmar Ebert |
Hilmar Ebert |
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Deutsche Schachzeitung 1972 Dr. Werner Speckmann gewidmet |
Schweizerische Schachzeitung 1978 |
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Matt in 3 Zügen |
Weiß zieht und gewinnt |
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Nr. 3 |
Nr. 4 |
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Hilmar Ebert |
Hilmar Ebert |
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111.diagrammes III-IV/1979 S.664 |
feenschach 1988 |
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Matt in wievielen Zügen? |
Matt in 6 Zügen |
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Lösungen:
Nr. 1: 1.Td1? und der Bauer auf c2 erweist sich doch als rechter Störenfried - darum: 1.O-O-O! c2 2.Td5! Kg8: 3.Td8 matt. Ja, nur die Rochade führt rechtzeitig zum Matt, mit einer Anderssenverstellung des Turmes für den Läufer (= mit anschließendem Abzug).
Nr. 2: 1.Lh6! a2 (!) 2.La1!! a3 3.Kf6 Kh8 4.Kf7 matt (1... Kh8:? 2.Kf7! nebst 3.Lg7 matt). Theorie-Ausnahme: hier gewinnen zwei gleichfeldrige weiße Läufer - nach doppelter Schnittpunktüberschreitung des Feldes g7 - gegen mehrere schwarze Bauern: mit einem sogenannten Inder (= vorübergehende Selbstverstellung zwecks Pattvermeidung und Abzug).
Nr. 3: 1.Kc7 matt?! - Schwarz hat in der Diagrammstellung keinen letzten Zug, somit kann nicht Weiß am Zuge sein! Und Schwarz wehrt sich zunächst einmal so gut er kann mittels: 0...a5 (!) - 0...a6? ... erlaubt ein Matt im 4. Zug - und nun geht's los: 1.Kc7+! Ka7 2.Kc6!! a4 3.Th4! a3 4.Ta4+ Kb8 5.Ta3: Kc8 6.Ta8 matt. 1.Th4? greift viel zu spät: 1....Ka7 (!) 2.Kc7 Ka6 3.Kc6 Ka7 4.Ta4 Ka6 ... Das wohl zuglängste der äußerst raren retroanalytisch begründeten Probleme auf dem Gebiet der sog. Wenigsteiner (= bis 4 Steine). Für diese „Euklidischen Elemente“ des Problem- und Studienschachs hatte der Verfasser in früheren Jahren die weltweit umfassendste Sammlung angelegt (über 20.000 Probleme; in der Problemschachwelt kurz SAM genannt, auch zu Ehren des großen amerikanischen Komponisten Sam Loyd).
Nr. 4: 1.Sd5!! Kd1(!) 2.Kc3!! Ke2 3.Sd4+ Kf1 4.Se3+ Kg1 5.Sf3+ Kh1 6.Sf2 matt; 1...Kb1? 2.Sd4!... oder 2...Ka1? 3.Kb3(4) ~ 4.Sc3+ ... führen zu Kurz-Matts im 5. Zug. Maximale Entfernung der Mattecke: 5 Felder statt 2 am falschen Rand a1 ... Und überraschenderweise Matt ohne den weißen König, nur durch die drei weißen Springer! Plus ein bißchen Ornamentik: die drei Springer bilden, wie in der Diagrammstellung, nach 3.Sd4+ und nach 5.Sf3+ jeweils eine Linie (90° und 180° gedreht).
® Die Schach-Lupe, IX 1995
Nr. 5: Aha - nicht nur König und Turm, nein alle weiße Steine stehen auf den Ausgangsfeldern! Nur ein schwaches Kerlchen auf g4 bietet da nicht viel Schutz. Kurzum: wieviel Minuten bis zur Lösung?
Nr. 6: Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper? Wohlan, etwas Preiskegeln sorgt für die rechte Bewegung - und die vier „Home-Base“-Steine von eben dürfen nun keine ruhige Kugel schieben ...
Nr. 7: Weniger bekannt ist, daß das moderne ökologische Bewußtsein bis in die Problemkomposition eingedrungen ist. Wer Vieles bringt, wird manchem etwas bringen ... Vier Schachaufgaben im Schuber, ökologisch anständig - drei Verpackungen eingespart. Mit vor Sinntiefe triefender Widmung. Wie verhalten sich die vier Lösungszeiten zueinander?
Nr. 8: Die Schlußstellung einer sehr freien Partie des Verfassers gegen den legendären Super-IGM Werner Kulla, nach schwer durchzechter Nacht. Schwarz hatte frechweg ausschließlich Springerzüge demonstriert - und dabei etwas von „Super-Aljechin“ in den Bart gemurmelt. Ohne mit der Wimper zu zucken, reduzierte er empfindlich das weiße Lager, hielt aber die eigenen Mannen umsichtig gedeckt. Weiß wiederum hatte mit undurchschaubaren problemschachlichen Manövern drei seiner Bauern zu Damen geführt, was ihm im nüchternen Zustand nicht im Traum eingefallen wäre. Eine hundsgemeine Materialverteilung war das - wer stand hier eigentlich besser? Das Blättchen bog sich bereits bedrohlich gen Himmel, als dem Weißen plötzlich dämmerte, welche Kraft in seinem Harem schlummerte ... |
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Nr. 5 |
Nr. 6 |
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Hilmar Ebert |
Hilmar Ebert |
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1061. Lüneburger Landeszeitung, 26.3.1988 |
Stern 1989
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Matt in 5 Zügen |
Matt in 5 Zügen |
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Nr. 7 |
Nr. 8 |
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Hilmar Ebert |
Hilmar Ebert |
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feenschach 1992 Hans Gruber zum 1. bis 4. Advent gewidmet |
Weihnachts- und Neujahrsgruß 1994/95 |
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Matt in 1, 2, 3 und 4 Zügen |
Weiß gewinnt |
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Lösungen: Nr. 5: 1.Th5! Kf4 2.Se2+ Kf3 3.Kd2! g3 (3...Ke4? 4.Lg2 matt) 4.Th4 ~ 5.Tf4# 2...Ke3/4 3.Lg2(+) ~ 4.Tc5 ~ 5.Tc3 matt Insgesamt 9 Varianten, die weißen Züge sind stets eindeutig!
Nr. 6: Nicht 1.Ld3? ed3:?! 2.Sf3+! Ke4 3.Sd2+! Ke5(!) 4.Th4 f3 5.Sf3: matt wegen 1...f3! Daher: 1.Sf3+! ef3: 2.Ld3 f2+ 3.Kf2: f3 4.Kf3: f4 5.Te1 matt Die weißen Steine stehen auf den Partie-Ausgangsfeldern (Home-Base), die schwarzen bilden obendrein eine Kegelformation (der Autor bereitet ein Buch über solche Kegelprobleme vor). Opfer in Verführung und in Lösung!
Nr. 7: 1) 1.Te6 matt 2) 1.Sf3+! Kf5 2.Le4 matt 3) 1.Tc6! Kd5 2.Lb7! Ke5 3.Te6 matt 4) 1.Se2! Kf5 2.Sf4 Ke5 3.Sd3+ Kf5 4.Le4 matt Pattaufhebung, Mattwechsel, Selbstverstellung und Tempospiel. Und nicht 1.Tc6? Kd5 2.Lb7 Ke5 3.Sf3+? (3...Kf5? 4.Lc8 matt) wegen 3...Kd5! 4.??
Nr. 8: Weiß begnügte sich wieder mit der Monogamie und kündigte zur Verblüffung seines übermütigen Gegners ein Matt in 6 Zügen an! - Wenn sich Schwarz ernsthaft wehrt, führt jeweils nur ein eindeutiger, dualfreier Zug von Weiß zum Erfolg: 1.Df7:+! Kf7: 2.Dd-f4+ Sf6 3.Df6:+! Kg8(!) 4.Dh5! g6(!) 5.Dg2-g6:+! hg6: 6.Dh8: matt. Dreifaches Damenopfer! Das zweite nahm Schwarz lieber nicht an wegen 3...Kf6:? 4.De2(g2) f3+ ... usw.
Nachspiel - einige Monate nach der Partie gegen Super-IGM Kulla (!): Natürlich ist eine solche Scherz-Stellung (aber doch mit 3-fachem Damenopfer als kunstvollem Inhalt) ohne jeden Anspruch auf „Legalität“ (Partie-Erspielbarkeit) komponiert - jeder Neuling kann sich denken, daß hinter der Bauernreihe a7 bis h7 keine Umwandlungen stattgefunden haben können ... (wenn so etwas weniger offensichtlich ist, wird in Problemschachzeitschriften einfach der Zusatz „Position illegal“ angemerkt). Solche „SPAsS“-Stellungen (Schwarzen Partie-Anfangs-Stellungen!) sind in der Problem-Fachwelt schon lange ein Begriff[1]. Die Aufgabe erfuhr als „Weihnachts- und Neujahrsgruß“ in vielen ausländischen Problemzeitschriften freundliche Aufnahme, unerwartet auch in Deutschland in Computerschach & Spiele[2], in deren Lösungsbesprechung allerdings der beabsichtigte Humor- und „SPAsS“-Effekt eine nicht zu überbietende Steigerung erfuhr!! - Die besten Satiren schreibt bekanntlich das Leben selbst ... Ein Leser namens Quack glaubte „ein Haar in der Suppe“ entdeckt zu haben: „wo sollen die Umwandlungsdamen entstanden sein?“ und schlug vor, die Stellung daher um 1800 zu drehen (!), um jetzt die profane Lösung 1.Dc2: Kc2: 2.De4+ nebst Matt im 3. Zug als „richtige“ Lösung zu servieren (!!) ... Und nun wies der in Sachen Computerschach renommierte Redakteur (und Problemliebhaber) Frederic Friedel nicht etwa daraufhin, daß bei solcherlei Humorstücken keineswegs strenge Legalität gefordert werden müsse[3], sondern schloß sich (satirisch?!) Herrn Quack an: „Recht hat er, und verdient einen herzlichen Dank für diese interessante Aufklärung.“ (!!) Humor im Schach kennt eben keine Grenzen ...
CSS: Eine klare Sache, hätte ich gemeint. Aber ein findiger CSS-Leser, Johannes Quack aus Köln, entdeckte ein Haar in der Suppe: „Streng genommen ist die Aufgabe nebenlösig, und das sogar in drei Zügen“ Die Stellung ist nämlich partieunmöglich - wo sollen die Umwandlungsdamen entstanden sein? In einem solchen Fall hat der Löser nach allgemeiner Problemschachkonvention vor der Lösung die Stellung zu legalisieren, und zwar mit dem geringstmöglichen Eingriff. In diesem Fall heißt das: Drehung des Brettes um 1800. Und siehe da, es geht dreizügig: 1.Dc2: Kc2: 2.De4+ nebst Matt im nächsten Zug.“ Recht hat er, und verdient einen herzlichen Dank für diese interessante Aufklärung.
® Die Schach-Lupe, 1995/6 (!)
Nr. 9: Der Läufer heißt im Französischen bekanntlich „Le Fou“, also der Narr. Ganz narrisch wird es freilich, wenn sich ein dritter, durch Umwandlung entstandener Spaßmacher mit in die Reihe postiert ... Vielleicht ein Anwärter für den Orden wider den tierischen Ernst?!
Nr. 10: Hier steht der Läufer etwas hilflos in der Ecke, etwa allezeit bereit, sich für ein größeres Ziel zu opfern?! Nähert sich der weiße Monarch an, freut sich der schwarze, daß ihm die Züge ausgehen ... da heißt es wohl, sich etwas Humorvolleres einfallen zu lassen!
Nr. 11: Im Hilfsmatt ist, da es im Problemschach eigentlich um das Erforschen neuer Bewegungsmechanismen geht, die eben nicht in der Partie auftauchen, eine neue künstlerische Dimension erreicht: der Komponist braucht sich nicht darum zu scheren, ob Schwarz auch immer schön gezwungen werden kann, sondern kann sich unbekümmert der reinen Kunst widmen - mit relativ wenigen Steinen relativ viel Inhalt darstellen. Außerdem wird jeder, der sich einmal ernsthaft an diesen Rätselnüssen versucht hat, bald die üblichen Vorurteile über Bord werfen und das kooperative Verfolgen eines gemeinsamen Zieles genießen lernen. Der Erfinder, der (auch im Partieschach!) große Max Lange, verwies 1854 sogar auf die christliche Idee der Nächstenliebe als Vorbild für das Hilfsmatt, was den Chefredakteur besonders erfreuen sollte ... Nochmals der Läufer (im Englischen Läufer = „Bishop“!) als findiger Bursche!
Nr. 12: Hier noch eine Partiestellung aus dem berühmten Match des Verfassers („he“) gegen den Super-IGM und Schach-Oskar-Preisträger Werner Kulla. Weiß - als Komponist - hatte gewettet, daß er ein Remis erzwingen könne, egal wie Schwarz gegen dieses Ziel des Weißen arbeiten würde (ein empfehlenswertes Trainingsmittel vor wichtigen Wettkämpfen!). Leider war im Handgemenge des Finales in höchster Zeitnot (und von der Wirkung eines kalifornischen Chardonnays ganz zu schweigen!) der schwarze König „versehentlich“ vom Brett geflogen - Weiß mußte sich also auch noch blitzschnell erinnern, wo er gestanden hatte, bevor er seine Remisansage mit einem genialen Handstreich in die Tat umsetzen konnte ... |
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Nr. 9 |
Nr. 10 |
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Hilmar Ebert |
Hilmar Ebert |
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Die Schwalbe VI/1976
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Deutsche Schachzeitung XII/1975 Chess Almanac 1976/77 |
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Matt in 4 Zügen |
Matt in 10 Zügen |
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Nr. 11 |
Nr. 12 |
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Hilmar Ebert (nach B. Snaider) |
Hilmar Ebert |
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Stern, 1977 |
Das Patt im Wenigsteiner 1978 |
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Hilfsmatt in 4 Zügen |
Patt in 2 Zügen - Wo steht der schwarze König? |
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Lösungen:
Nr. 9: #4
1.Dg5? (1...Kh1:?
2.Dh4+ Kg1 3.Kd2:!; 1...Kf1? 2.Df4+ Kg1 3.Sf2 Kf1 4.Sh3#) Reines Masseopfer! ... hier als Logischer Vorplan mit der Rückkehr der weißen Dame. Zuerst sehendie Züge absurd aus – kein Löser würde sie (zuerst) probieren! Nur wenn man das Paradoxon des Massenopfers akzeptiert, werden die verborgene Logik und der elegante Rückzieher der Königin sichtbar! :-)
Nr. 10: 1.La8!! b4 2.Kb7! Kh1 3.Kc6 Kh2 (!) 4.Kd5 Kh1 5.Ke4 Kh2 (!) 6.Kf3 Kh1 7.Kf2+ Kh2 8.Td5! Kh1 9.Td1+ Kh2 10.Th1#; Inder mit einer ® Rekordzahl von Schnittpunkten für Miniaturen (6!). Daher auch im Schach-Almanach 1976/77 nachgedruckt.
Nr. 11: 1.Lb8! Ta8 2.Kc7!! Kb3 3.Ka5 Kc4 4.Ka4 Ta7:#. Die erste Mausefallen-Darstellung im orthodoxen Hilfsmatt-Wenigsteiner ... mit Idealmatt.
Nr. 12: Der schwarze König stand, bevor er offenbar vom Brett gepurzelt war, auf dem Feld a8!! Also war Schwarz auch am Zug: falls 0...Ka7:, so folgt 1.Kc7! Ka8 2.Sc6= (Turmopfer!), falls 0...Kb8:, so folgt 1.Tc7! Ka8 2.Tb7= (Springeropfer).
[1] (Literatur: Ebert, H. & A. Lehmkuhl, „Minimaler SPAsS“, feenschach XI-XII 1976 (!) S. 410; H. Ebert, „SPAsS“, Die Schwalbe II 1995 S. 8-16) [2] Heft 2 IV-V 1995 S. 44 Lösungsbesprechung [3] Im sog. Märchenschach werden noch ganz andere Kunstschach-Welten erschlossen, indem man auf Partiegemäßheit verzichtet ... |


# 147: Humor im Schachproblem. (I)
Die Schach-Lupe III [Dr. Werner Kulla]
V 1995
# 170: Humor im Schachproblem (II).
Die Schach-Lupe # 20 S. 12
X 1996
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by
Hilmar Alquiros,
The Philippines
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