© by Hilmar Alquiros, The Philippines Impressum Datenschutzerklärung
Beziehungs-Weise
Gedichte 1965 ff.
liebe
ich habe mich gebäumt vor schuld
und Du vor schmerz,
noch immer schenkst Du mir geduld
und nicht Dein herz
ich schlucke silbergraue tränen
in mich hinein,
ich habe mich gebäumt vor sehnen -
es sollt' nicht sein ...
kleiderbügeltango
denn der kleiderbügel
war mein schultergürtel,
und die schulter war
leicht ausgerenkt
und Dein sorgenhügel
ein familienbürdel,
und das war genauso
wie man denkt
denn das äuß're elend
war ein inn'res leiden,
und 'n katzenjammer
war's dazu
war's für beide quälend
dann gehört's auch beiden,
und nun bin ich ich
und Du bist Du ...
beziehungskiste
Du verstehst nicht,
warum ich Dich nicht
so verstehe,
wie Du es magst
Du glaubst nicht,
dass ich an Dich
glauben kann,
ohne Dir zu trauen
Du magst nicht,
dass ich verstehe,
warum Du glauben möchtest,
es läge an mir ...
auf-schluß
was fürchtest Du Dich so vor der blamage,
ein wesen voller offenheit zu sein?
aus angst vor Deiner eigenen courage
stellst Du Dir leidenschaftlich selbst ein bein
wo ist das traumhaft sichere ziel verblieben -
Du wolltest wie ein berg - und wie ein tal sein,
so kannst Du nicht einmal das lieben ... lieben,
und gerade hierin könntest Du genial sein ...!
soziogramm
nicht zwischen ich und Dir
und mein und Dich,
nicht zwischen Du und mir
und Dein und mich,
bloß zwischen uns und Euch
kann ich noch trennen -
man muss so'n wirres zeug
wohl liebe nennen ...
zweifel-los
Dein verzweifelter angriff
auf die liebe
entsprang
reiner
angst
Dein zweifelloser sieg
über die angst
entsprang
reiner
liebe
...
motto
suche ständig,
finde manchmal -
verlier' dich nie ...
entmannung
und ob ich auch zweifelte,
klagte und schrie,
im innern verletzt und
verschrammt war
erstarrte, zitterte,
schluckte und spie,
verdammte und selbst
nur verdammt war
vermehrte ich sinnlos
geknotetes leid,
geknüpft an den galgen
von gestern
nun hab' ich mich endlich
und gänzlich befreit,
so folgt mir doch nach -
liebe schwestern!
sohnschaft
zehn jahre ist es heute her,
es schmerzt, als ob es gestern wär',
dir nur verdank ich raum und zeit
und auch den sinn für... weiblichkeit -
mehr noch als worte und auch taten:
du hast mich wirklich nie verraten ...
24.5.1984
frei-schein
menschen, die sich selbst befreien
von der partnerbürde -
von gewissens-innereien,
von der sanftmut zu verzeihen,
und der menschenwürde ...
menschen, die zu tode grinsen,
was einst lieb und wert war -
geht die liebe in die binsen,
zahlt das leben zinseszinsen:
weil's halt grundverkehrt war ...
menschen, die ihr nest beschmutzen,
über leichen gehn -
alle andern nur benutzen,
ihre hoffnungsflügel stutzen -
und den weg nicht sehn ...
Geheimfach
Für jede Schwingung bist Du offen,
Für Rosenquarz und Mondenlicht,
Und Haus und Hof darf auf Dich hoffen -
Nur innen drin, das sieht man nicht ...
So faszinierend wie die Augen
Ist Deine Seelen-Innensicht,
Wie prächtig magst Du allen taugen -
Nur Dein Geheimnis sieht man nicht ...
Juwelen reifen, Jahr um Jahr,
Und spenden gar im Dunkeln Licht,
ein jeder nimmt Dich gerne wahr -
Bis auf’s Geheimste - oder nicht ...?!
Drei-Faltigkeit
Das Leben lacht mit tausend kleinen Falten
Und drückt zuweilen auch ein Auge zu,
Doch die Beziehung zwischen „Ich“ und „Du“
Zeugt neue humoristische Gewalten
Der Spaß wird ernst, wo Dreie sich beschummeln
Als seien jeweils Zweie fest ein Paar
In lauen Nächten, sagt man, werde klar,
dass sich Hormone in den Gliedern tummeln
Man greift hinein ins volle Menschenleben
Was immer möglich sei, das darf und kann sein
Und lässt den lieben Gott ‘nen guten Mann sein
Und nimmt und überlässt den anderen das Geben.
So die Moral der Gattung im Sonett:
Bleib’ cool, im Leben und erst recht im Bett ...
verlangen
wenn Du nach mir verlangst,
werd' ich bescheiden -
streicht da ein duft von angst
an meine saiten?
verlangen voller nichtigkeit,
bescheidung ohne sinn -
die frage scheint von wichtigkeit,
was ich Dir bin ...
impertinenz
da hat auch ohnmacht ihre grenzen
und lässt der wahrheit freien lauf -
da muss die tat das wort ergänzen,
sonst hockt die lüge obenauf
du brichst das schicksal aus den nähten
und willst noch, dass man für dich bürgt -
frisst man den fisch mitsamt den gräten,
wen könnt es wundern, dass man würgt?
endlösung
zielscheiben waren sie
am rande der lichtung,
mit kapuzen voller schweiß -
das pochen der herzen
dröhnte todessüchtig und wild,
hundert watt! lachten die blinden
und legten gefühlvoll an -
kraftlinien statt farbenklang,
radar der angst,
bis auch der letzte
der sehenden
erlösung
trank ..
winter-taumel
der schnee verliert sich lautlos in den dächern
und das gespenst der umkehr schleicht herum
die menschen heimeln sich an warmen bechern
und seufzen, aber wissen nicht, warum
die bäume mahnen stumm und ohne gnade
und selbst die stille tönt nun hohl und wund
die realisten finden alles denkbar schade -
selbst die verliebten zweifeln wieder, mund an mund ..
ent-trauung
ich bin so frei und ungeliebt,
so uferlos entpaart -
ein wort, das einen blick verschiebt,
von zärtlich erst auf hart
so ungeliebt bin ich und frei,
ein spielball der ent-trauung -
erst eins, dann zwei, dann einerlei
und fern der weltanschauung
ob frei, ob ungeliebt: ich bin!
und fast noch heil geblieben -
vielleicht liegt ein gewisser sinn
im ungeliebten lieben ...
entwicklung
punktelisten mit systemchen
nahmen plötzlich überhand,
kommunikationsproblemchen
narrten beiderlei verstand
alltagswiderspruch entblößt sich,
nichts geht vor und nichts zurück -
doch mit einem male löst sich
Deine schlaufe und mein blick
was schon ende schien der reise,
die doch gerade erst begann -
öffnet so in gleicher weise
Dich, die frau, und mich, den mann ...
gezeitenwechsel
wir waren weiblich und wir waren männlich
und manches schöne jahr ganz unzertrennlich,
dann klopfte der vertrauensbruch ans fenster -
wo liebe geht, da kommen schreckgespenster
die nacht voll streit, am tag dann die klienten,
schon misst die liebe sich nach alimenten -
nicht die vergangenheit lockt unbeschreiblich,
die zukunft - und die ist bekanntlich .. weiblich!
nachruf
ich hatte Dir ins herz geblickt
mit worten und mit taten -
es hat uns kurze zeit erquickt,
dann hast Du's mit der angst gekriegt
und uns ganz still verraten
ich hatt' es einfach gut gemeint,
vertieft und doch erhaben -
mein innerstes mit Dir vereint,
Du hast das äußerste verneint,
nun lass es uns begraben ...
lebenslicht
ob Du nun da bist oder nicht,
ich seh' Dich jeden tag -
noch gibst Du meinem leben licht,
weil ich Dich eben mag
mein herz lässt Du oft höher schlagen
und merkst es nicht einmal -
das rollenspiel ist ein verzagen,
die wahrheit eine qual ...
spätsommer
ich habe den sommer des lebens
mit Dir verbracht,
hab' keine minute vergebens
geweint und gelacht
mal finstere zeiten durchlitten,
mal wunder gesehn -
nun sind alle bande durchschnitten,
um fortzugehn
die sehnsucht war von uns geschieden,
die zukunft liegt brach -
ich wünsch' Dir das beste - auch frieden
für den herbst und danach ...
empfindungsbrei
von weitem schau' ich meinem
entsetzen zu -
ich fühl' mich ausgeliefert,
genau wie Du
das messer der verzweiflung,
wie Du es nennst -
erstach mein letztes hoffen
wie ein gespenst
unwiederbringlichkeiten
zerstäuben sacht -
in meinem ohr verfängt sich
das lied der nacht
ein letzter tropfen wehmut
verrinnt im nu -
von innen schnürt sich langsam
die sehnsucht zu
als letzten halt versäum' ich
den todesschrei -
mein fühlen stirbt in schalem
empfindungsbrei
ein leben voller qualen
lag endlos brach
mein eignes auge grinst mir
noch lange nach ...
mit-leid
wie jenes floß
im meer der reue
zerschellt auch Dein gewissen
wie ankerlos
und stets aufs neue
verheulst Du Deine kissen
wie ein warum,
das mitleid hegt
versagt nun die methode
drum stirbst Du dumm
und unbewegt
noch viele tode ...
frühlingsrequiem
komm, blindes mädchen, sei unbeschwert,
schnuppere die düfte -
noch hat die liebe dich nicht verzehrt,
schwing deine hüfte
komm doch, du seltsames himmelsgrün,
spreng dein gefängnis -
schon zwischen blüten und wolkenzieh'n,
weht dein verhängnis
komm nur, du sterbliches, blindes glück,
schmerz fast zuletzt schon -
komm' nur und gib' dich dem tod zurück,
liebend-gern jetzt schon ...
abwehr-kräfte
die opfergabe sublimierung
verängstigt durch beengung,
es münden in die isolierung
verleugnung und verdrängung
ein feigenblatt des schuldgefühls
von innen her an die lende
und Dein bewusstsein teilt sich kühl
durch spanische innenwände ...
betroffenheit
alles pulsen greift ins leere
möcht' ich der gedankensphäre
fundament sein -
liebeslust wird zu chimäre,
leichtsinn wird zur erdenschwere
im getrennt-sein
alles sterben greift ins leben,
übernehmen, übergeben
und ein hoffen -
und so macht das lustbestreben
noch im letzten seufzer eben
echt betroffen ...
neuwahlen
in der distanz des neuen mutes
erkennt man leicht, was schwerer wiegt,
die leidenschaft des bösen blutes
verliert sich, wo die liebe siegt
das kernstück aller neubelebung
heißt: keine suche mehr nach schuld,
befreiung ist schon halb vergebung,
die andre hälfte heißt - geduld
bei aller redlichkeit und reinheit
plagt doch ein zweifel kopf und bauch:
vergebung kennt noch eine feinheit -
die frage nämlich ... Du mir auch ?!
danach
die hand, die Deine hand
ergriffen hatte,
ist frei
das leid, das auch Dein leid
entziffert hatte,
vorbei
die welt, die Deine welt
im innersten
durchwühlte
der geist, der Deinen geist
unendlich nahe
fühlte
die lust, die Deine lust
ehrfürchtig fast
umwarb
der schmerz, der wie Dein schmerz
so mir nichts Dir nichts
starb ...
gleichheits-zeichen
lass mich Dir Dein haar zerzausen,
aber häng' Dich nicht an mich -
gönn' mir ein, zwei atempausen,
denk' daran - ich bin auch ich .. .
lass mich Deine größe schauen,
treibe keine schulden ein -
schenke mir Dein urvertrauen,
lass mich auch ich selber sein ...
finde mich auch ruhig mal gräßlich,
deck' nicht meine fehler zu -
sei nicht so partout verlässlich,
denk' daran - Du bist auch Du ...
gib der zukunft eine chance,
schlaf' nicht ein wie hinz und kunz -
gönn' uns beiden die balance:
Dir und mir und uns ...
bleib
ich liebe Dich schon im erwachen
und eigentlich den ganzen tag,
den ernst an Dir und auch Dein lachen -
und was ich sonst noch an Dir mag ...
zwar war Dein blick zuweilen linder,
doch bleibst Du immer wunderbar,
ich liebe Dich kein quäntchen minder -
bleib' da, geliebte, bleib' doch da ...
himmelskörper
die sonne quält sich durchs gebüsch
und wächst im untergang -
das leben scheint oft fürchterlich
in seinem blinden drang
der mond ist noch einmal so nett
und rückt an ihre stelle -
und leuchtet unsrem liebesbett
mit sonnenhafter helle
die sterne wechseln tag und nacht
das glück auch mit den jahren -
wird uns der schutz der himmelsmacht
noch einmal widerfahren?
nur, wenn wir unisono ihn
aus beiden kehlen rufen,
gelingt uns, was so schwer erschien
als letzte seelenstufen ...?
reise-ziele
nach Paris und nach Versailles
ungeklärtes streben -
eilig huscht die zeit vorbei,
seltsam wie das leben
ungebunden - mit dem bus
fast zu freundschaftspreisen -
zwischen tränen und genuss
in die zukunft reisen
in den straßen, im bistro:
menschliches gewühle -
überall und nirgendwo
klärende gefühle
fahrt in die vergangenheit
oder zukunftszeiten -
lassen einzeln und zu zweit
blick und seele weiten
welcher anfang, welcher sinn,
der mir nun verbliebe -
wohin reist das leben hin,
wohin fährt die liebe ...?!
nähe
nähe - ohne fernzulenken,
freundschaft - ehrlich auf die hand -
lass mich aber selber denken,
raub' mir nicht noch den verstand
nähe - wenn es darauf ankommt,
bleib doch, wenn ich sage: geh' -
und weil jeder einmal drankommt,
gilt für mich der gleiche dreh
nähe - wie die erde da ist,
wenn der blitz den wald verwirrt -
unbegreiflichkeit, die nah ist,
wenn der schmerz begriffen wird ...
zeitreise
wanderung ins nächste jahr,
liebe kann auch mut sein -
sag' mir nicht, was gestern war,
wozu soll das gut sein
schritte, die man nie vergisst,
nicht in kopf und bauch -
sag' mir nicht, was heute ist,
denn das seh' ich auch
wege, die man unbeirrt
geht, entlang den klippen -
sag' mir nicht, was morgen wird
zwischen unseren lippen ...
abschied
ewig wird die liebe schwelen,
tief und wund -
fürchterlich wirst Du mir fehlen,
blick und mund
endlos werd' ich Dich betrauern
schmerzbewusst -
eingeschnürt von all den schauern
stiller lust
einsam durch der lebenswunden
todesdrang -
unerträglich die sekunden
lebenslang
schrecklich werd' ich Dich vermissen,
still beweint -
lass uns nun zum abschied küssen,
tief vereint ...
geräusche
kettenrasseln
durch die träume
von freiheit
matratzenspuk
in der tragik
des scheiterns ...
wüstenschnee
die große reine linie scheint gebrochen,
fatal die bräune Deines bleichgesichts -
den braten hab ich lange schon gerochen
trotz meines körnerfresser-gleichgewichts
im samen einer wüste schimmert schnee -
wem nützt das vampirieren einer minne,
die liebe schmeckt so gut wie eh und je:
der sinn des lebens ist das leben aller sinne!
abreise
ich verlasse Dich,
durchfliege wieder
Deine identität,
Dein seelenorchester,
Deine hände,
Deine soziale haut -
ich verlasse Dich
auf meinem weg
zu Dir ...
ent-bindung
ein wertehaus verfiel in schutt und asche,
ich reich' Dir auch die hand zur unvernunft -
und über sehnsucht streifst Du die gamasche
lauthälsiger sommersbrunft ...
Streit-Wert ...
Nach allem Streiten
Ist Ruh' -
In all den Zeiten
Spürtest Du
Machtvolle Triebe,
Das Umweggetrampel verhallt schon -
Warte nur, bald schon
Siegt diese Liebe ...
beziehungs-weise
ach, wir sind ja so erfahren,
doch ... beziehungs-weise kaum!
so entwickelt mit den jahren
jeder seinen liebes-traum ...
vorzeichen
mein blick schweift beunruhigt
über Dein wunderschönes haar,
über die silhouette Deiner anmut
und jene dunklen berghänge auch,
die uns das unfassbare ahnen lassen,
obschon uns das duftende glück noch betört ...
mein blick scheint getrübt
unter den tränen verzehrender sehnsucht,
unter der sinfonischen gewalt der einsamkeit
und jener tiefen einsicht auch
in den sinn allen sinnwidrigen wandels,
obschon uns der hauch der unsterblichkeit noch gehört ...
versöhnung
wo man fehler nicht vergibt,
ist kein ort des lebens -
jeder tag, den man nicht liebt,
scheint vergebens
wo man andre nicht versteht,
bleibt man selbst alleine -
was man inniglich begeht,
kommt ins reine
wo der gute wille fehlt,
folgt gar die verhöhnung -
nur von innen her beseelt
winkt versöhnung ...
Zuflucht
Da ich es auf den Himmel schiebe,
der echte Begegnung sät –
zum Beispiel geschwisterliche Liebe
und Spiritualität ...
Und da wir uns nicht mehr sehen werden,
abschiedslos, doch verbunden –
bleib’ ich Dein Guardian Angel auf Erden,
im Traum zu Dir gefunden ...
Kreisverkehr
Wie der Phönix aus der Asche
Wächst die Liebe immer neu,
Doch das Glück, das ich erhasche,
Bleibt mir selten lange treu ...
Denn der Virus der Routine
Greift die Unbedachtheit an -
Und mit rätselhafter Miene
Endet manche Liebe dann ...
Ja, das Glück hat 'was Gemeines,
Das Verliebtheit nie empfand -
Denn gewisslich scheint doch eines:
Nur der Wandel hat Bestand ...
Auch der Reife irrt nicht minder,
Alle Leidenschaft macht blind-
Weil wir niemals wieder Kinder
Und nie ganz erwachsen sind ...
Doch zuweilen bilden Triebe
Einen wundersamen Kreis:
Nur die eine Große Liebe
Endet nie, wie jeder weiß ...