# 545:  © Hilmar Alquiros, Philippines 

 

 

 Schneewehen

 

 

 

Content

 

Genesung

 

Jahreszeiten

 

Leise rieselt …

Lustspiel

 

Resignation

 

Schnee

Spätwehen

 

Wandlung

Wintertaumel

Wüstenschnee

 

 

 

Genesung

 

Nun ruhen Sorgen, Pflicht und Amt,

Und Stille strömt herbei –

Die Luft wie Schnee, der Schnee wie Samt,

Der Atem leicht und frei

 

Ein Jahr, das fast vergangen war

Und endlich Du und ich –

Der Blick wird wieder weit und klar,

Die Zukunft öffnet sich

 

Ein neues Jahr, ein neuer Tag ,

Die Hoffnung, die Du schürst –

Wie gern ich Dich berühren mag

Wie gern auch Du mich spürst...

 

 

 

Jahreszeiten

 

Schneeflöckchen tanzen so leicht und so heiter,

Landen behutsam in deinem Gesicht –

Jedes dem andern ein treuer Begleiter,

Glitzern sie fragend in mystischem Licht

 

Frühlingserwachen in drängenden Zweigen,

Knospen, entbunden aus magischem Flor –

Zärtliche Klänge verborgener Geigen

Und die Verliebten, sie summen im Chor

 

Blütenmeer duftet nach Sommer und Sonne,

Früchte entfalten vollkommene Pracht –

Nahende Ernte – in sinnlicher Wonne

Gipfelglück tagsüber und in der Nacht

 

Farbige Wunder, gewidmet dem Tod,

Goldgelbes Leuchten in rotbraunen Schatten –

Rosen so schön, doch unendlich bedroht:

Spüren auch sie, wie die Funken ermatten...

 

 

 

Leise rieselt …

 

Leise rieselt der Schnee,

still und starr liegt der See,

weihnachtlich glänzet der Wald:

Freue dich, Christkind kommt bald!

 

In den Herzen wird's warm,

still schweigt Kummer und Harm,

Sorge des Lebens verhallt:

Freue dich, Christkind kommt bald!

 

Bald ist heilige Nacht,

Chor der Engel erwacht,

hört nur wie lieblich es schallt:

Freue dich, Christkind kommt bald!

 

Eduard Ebel (1839 – 1905)

Leise rieselt der Kalk,

still der einstige Schalk,

weihnachtlich einsam und kalt:

Freu' dich, das Sterben kommt bald!

 

Leise rieselt der Harn,

tröpfelt ins Schlafhosengarn,

Knochengeklapper erschallt:

Freu' dich, das Sterben kommt bald!

 

Bald ist ewige Nacht,

Lebenslust völlig verflacht,

hört nur wie hohl es schon hallt:

Freu' dich, das Sterben kommt bald!

 

 Hilmar Alquiros (zeitlos) :-)

 

 

 

Lustspiel

 

Du Schnee-umsäumter Winterkuß

voll Irenblut –

was zweifelst Du im Vorgenuß

der Lavaglut

 

aus unterirdischen Fontänen

quillt Lebenssinn –

was spüren wir nun beide für ein Sehnen

im Herzen drin

 

Da gehn selbst allerkleinste Bilder

nicht aus dem Blick –

im Warten klopfte immer wilder

Lust ans Geschick...

 

 

 

Resignation

 

Aus der sprachlichen Retorte

quillt es schaurig-eminent,

denn ein Dichter hustet Worte,

traurig, doch auf Wunsch dezent

 

Schwarzer Sinn mit weißem Flitter,

dass Dein Auge es erträgt –

wenn er wie ein Schneegewitter

Tasten der Empfindung schlägt

 

Ängstlich hüllst Du Dich in kalte

Stöber des Erwachens ein –

demonstrierst erneut das alte

kindische Erwachsensein...

 

 

 

Schnee

 

Schneeflocken fallen sacht und unaufdringlich

in jenen tiefen Schoß, der Erde heißt –

und Worte fallen so unwiederbringlich,

bis lautes Schweigen alles niederreißt

 

Und Schneekristalle glitzern zaubersam,

erzählen raunend aus der Welt des Lichts –

und Deine Augen glitzern feucht und warm:

sie wissen alles, doch Dein Mund sagt nichts

 

Schneewehen lösen zärtlich Zeit und Raum auf,

Du suchst nach Worten, doch Du findest keins –

und neue Rätsel tauchen Dir im Traum auf:

und Wort und Stille, Licht und Nacht sind eins...

 

 

 

Spätwehen

 

Draußen fiel der allererste Schnee,

und Erinnerungen tanzen,

manchmal tun sie auch ein bisschen weh

und dann zieht man seine Schlüsse und Bilanzen –

und dann hockt man da, allein,

und bestellt noch einen Wein,

und die Sehnsucht geht durch allerlei Instanzen

 

Draußen, durch Novembernacht,

stapfen fröstelnde Naturen,

hinterlassen merklich unbedacht

eine kurze Zeit lang ihre Spuren –

und dann blickt man seltsam drein,

sperrt sich in sich selber ein

und verspürt in keiner Miene Resonanzen

 

Draußen bäumt verzweifelt sich ein Jahr

wild zu letzten Stürmen auf,

türmt auf das, was einmal Wahrheit war,

schneeverwehend letzte Illusionen drauf –

endlich sinkt man, wie ein Stein,

tief in seine Wehmut ein

und verliert sich, im Detail und auch im Ganzen...

 

 

 

Wandlung

 

Ich liebe

die Kristalle des Schnees,

den Klang des Hagels,

den Duft des Regens,

die Komik der Eiszapfen,

die Unschuld des Taus,

die Mystik des Nebels –

ich liebe

die Wandlungen,

denn nur sie

halten stand...

 

1984

 

 

Wintertaumel

 

Der Schnee verliert sich lautlos in den Dächern,

und das Gespenst der Umkehr schleicht herum –

die Menschen heimeln sich an warmen Bechern

und seufzen, aber wissen nicht, warum...

 

Die Bäume mahnen stumm und ohne Gnade,

und selbst die Stille tönt nun hohl und wund –

die Realisten finden alles denkbar schade,

und die Verliebten zweifeln wieder, Mund an Mund...

 

 

 

Wüstenschnee

 

Die große reine Linie scheint gebrochen,

fatal die Bräune Deines Bleichgesichts –

den Braten hab ich lange schon gerochen

trotz meines Körnerfresser-Gleichgewichts

 

Im Samen einer Wüste schimmert Schnee –

wem nützt das Vampirieren einer Minne,

die Liebe schmeckt so gut wie eh und je:

der Sinn des Lebens ist das Leben aller Sinne!

 

 

 

 

*

 

Spätlese

by Hilmar Alquiros

 Review

by Thalia Stacy, NY/Berlin

 

 There comes a moment in every poet’s life when words no longer chase experience – they become it.

 In Spätlese / Late Harvest, Hilmar Alquiros gathers decades like sun-warmed grapes: tender, translucent, and wise.

 His verses breathe intimacy without sentimentality, serenity without stillness.

 Achtsamkeit (Mindfulness) turns philosophy into melody; Snow into silence that sparkles.

 And in Blossom Song, language rests – not resigned, but reconciled.

 Nearness opens the collection like a whispered paradox – distance folded into presence.

 What remains is purity of tone: a voice that has stopped searching, because it has found.

*

 Late Harvest is not a book of poems – it is the aftertaste of a lifetime, distilled to clarity.

Spätlese

von Hilmar Alquiros

 Review

von Thalia Stacy, NY/Berlin

 

 Es kommt der Moment im Leben eines Dichters, da jagen die Worte nicht mehr der Erfahrung nach – sie sind sie.

 In Spätlese / Late Harvest sammelt Hilmar Alquiros die Jahrzehnte wie sonnenwarme Trauben: zart, durchsichtig, weise.

 Seine Verse atmen Nähe ohne Sentimentalität, Gelassenheit ohne Erstarrung.

 Achtsamkeit verwandelt Philosophie in Melodie; Schnee in funkelnde Stille.

 Und in Blütensang ruht die Sprache – nicht ergeben, sondern versöhnt.

 Nähe eröffnet wie ein geflüstertes Paradox – Entfernung, die sich in Gegenwart verwandelt.

 Was bleibt, ist Reinheit des Tons: eine Stimme, die nicht mehr sucht, weil sie gefunden hat.

*

 Spätlese ist kein Gedichtband – es ist der Nachklang eines Lebens, zu Klarheit destilliert.

 

Thalia Stacy

Journal of Poetic Continuum

 

 

 

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