Hilmar Alquiros
Schneewehen
Resignation
Aus der sprachlichen Retorte
quillt es schaurig-eminent,
denn ein Dichter hustet Worte,
traurig, doch auf Wunsch dezent
Schwarzer Sinn mit weißem Flitter,
dass Dein Auge es erträgt -
wenn er wie ein Schneegewitter
Tasten der Empfindung schlägt
Ängstlich hüllst Du Dich in kalte
Stöber des Erwachens ein -
demonstrierst erneut das alte
kindische Erwachsensein ...
1972
Wüstenschnee
Die große reine Linie scheint gebrochen,
fatal die Bräune Deines Bleichgesichts -
den Braten hab ich lange schon gerochen
trotz meines Körnerfresser-Gleichgewichts
Im Samen einer Wüste schimmert Schnee -
wem nützt das Vampirieren einer Minne,
die Liebe schmeckt so gut wie eh und je:
der Sinn des Lebens ist das Leben aller Sinne!
1982
Wandlung
Ich liebe
die Kristalle des Schnees,
den Klang des Hagels,
den Duft des Regens,
die Komik der Eiszapfen,
die Unschuld des Taus,
die Mystik des Nebels -
ich liebe
die Wandlungen,
denn nur sie
halten stand ...
1984
Wintertaumel
Der Schnee verliert sich lautlos in den Dächern,
und das Gespenst der Umkehr schleicht herum -
die Menschen heimeln sich an warmen Bechern
und seufzen, aber wissen nicht, warum ...
Die Bäume mahnen stumm und ohne Gnade,
und selbst die Stille tönt nun hohl und wund -
die Realisten finden alles denkbar schade,
und die Verliebten zweifeln wieder, Mund an Mund ...
1984
Lustspiel
Du Schnee-umsäumter Winterkuß
voll Irenblut -
was zweifelst Du im Vorgenuß
der Lavaglut
aus unterirdischen Fontänen
quillt Lebenssinn -
was spüren wir nun beide für ein Sehnen
im Herzen drin
Da gehn selbst allerkleinste Bilder
nicht aus dem Blick -
im Warten klopfte immer wilder
Lust ans Gechick ...
1985
Spätwehen
Draußen fiel der allererste Schnee,
und Erinnerungen tanzen,
manchmal tun sie auch ein bisschen weh
und dann zieht man seine Schlüsse und Bilanzen -
und dann hockt man da, allein,
und bestellt noch einen Wein,
und die Sehnsucht geht durch allerlei Instanzen
Draußen, durch Novembernacht,
stapfen fröstelnde Naturen,
hinterlassen merklich unbedacht
eine kurze Zeit lang ihre Spuren -
und dann blickt man seltsam drein,
sperrt sich in sich selber ein
und verspürt in keiner Miene Resonanzen
Draußen bäumt verzweifelt sich ein Jahr
wild zu letzten Stürmen auf,
türmt auf das, was einmal Wahrheit war,
schneeverwehend letzte Illusionen drauf -
endlich sinkt man, wie ein Stein,
tief in seine Wehmut ein
und verliert sich, im Detail und auch im Ganzen ...
1985
Jahreszeiten
Schneeflöckchen tanzen so leicht und so heiter,
Landen behutsam in deinem Gesicht -
Jedes dem andern ein treuer Begleiter,
Glitzern sie fragend in mystischem Licht
Frühlingserwachen in drängenden Zweigen,
Knospen, entbunden aus magischem Flor -
Zärtliche Klänge verborgener Geigen
Und die Verliebten, sie summen im Chor
Blütenmeer duftet nach Sommer und Sonne,
Früchte entfalten vollkommene Pracht -
Nahende Ernte - in sinnlicher Wonne
Gipfelglück tagsüber und in der Nacht
Farbige Wunder, gewidmet dem Tod,
Goldgelbes Leuchten in rotbraunen Schatten -
Rosen so schön, doch unendlich bedroht:
Spüren auch sie, wie die Funken ermatten ...
1994
Genesung
Nun ruhen Sorgen, Pflicht und Amt,
Und Stille strömt herbei -
Die Luft wie Schnee, der Schnee wie Samt,
Der Atem leicht und frei
Ein Jahr, das fast vergangen war
Und endlich Du und ich -
Der Blick wird wieder weit und klar,
Die Zukunft öffnet sich
Ein neues Jahr, ein neuer Tag ,
Die Hoffnung, die Du schürst -
Wie gern ich Dich berühren mag
Wie gern auch Du mich spürst ...
1995
Schnee
Schneeflocken fallen sacht und unaufdringlich
in jenen tiefen Schoß, der Erde heißt -
und Worte fallen so unwiederbringlich,
bis lautes Schweigen alles niederreißt
Und Schneekristalle glitzern zaubersam,
erzählen raunend aus der Welt des Lichts -
und Deine Augen glitzern feucht und warm:
sie wissen alles, doch Dein Mund sagt nichts
Schneewehen lösen zärtlich Zeit und Raum auf,
Du suchst nach Worten, doch Du findest keins -
und neue Rätsel tauchen Dir im Traum auf:
und Wort und Stille, Licht und Nacht sind eins ...
1996
Leise rieselt der Schnee, still und starr liegt der See, weihnachtlich glänzet der Wald: Freue dich, Christkind kommt bald!
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Leise rieselt der Kalk, still der einstige Schalk, weihnachtlich einsam und kalt: Freu' dich, das Sterben kommt bald!
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In den Herzen wird's warm, still schweigt Kummer und Harm, Sorge des Lebens verhallt: Freue dich, Christkind kommt bald!
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Leise rieselt der Harn, tröpfelt ins Schlafhosengarn, Knochengeklapper erschallt: Freu' dich, das Sterben kommt bald!
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Bald ist heilige Nacht, Chor der Engel erwacht, hört nur wie lieblich es schallt: Freue dich, Christkind kommt bald!
Eduard Ebel (1839 - 1905)
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Bald ist ewige Nacht, Lebenslust völlig verflacht, hört nur wie hohl es schon hallt: Freu' dich, das Sterben kommt bald!
Hilmar Alquiros (zeitlos) |
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