# 197 by © Hilmar Alquiros, Philippines

 

 

hilmar ebert, aachen

 

Idee und Form eines Viersteiners ...

 

 In den 70er- und 80er-Jahren baute ich SAM - die Wenigsteinersammlung - auf. Sie konnte und kann in Tausenden von Fällen, bei eigenen Anfragen wie solchen von Schachfreunden aus aller Welt, Fragen wie Vorgängerschaft, Ideenvorläufer, Preiswürdigkeit usw. klären, Inkorrektheiten speichern, Teilgebiete des Wenigsteiners systematisieren und vieles mehr.

 Stichproben zeigten immer wieder, daß nahezu sämtliche Wenigsteiner aus üblichen und zugänglichen Quellen erfaßt sind – es sind schon bei Übergabe an meinen langjährigen Freund und Mitautor Hans Gruber vor einigen Jahren über 25.000 Stücke gewesen!

 Ein besonderer Liebling unter den eigenen orthodoxen Viersteinern war und ist Nr. 1, da sie die Idee – antikritische Schnittpunktüberschreitung zwecks Sperrmeidung – in einer besonders ästhetischen Form zeigt: hübsche „pseudosymmetrische“ Anfangsstellung, Parallelogramm in der Schlußstellung mit Idealmatt, auch der weiträumige Schlüssel trägt dazu bei, den Eindruck einer Letztform zu bewirken.

1

hilmar ebert

3917.problem II 1977

Matt in 6 Zügen C+

 

 

1.Sd4? (1...Ke1? 2.Ta2(b2), aber: 1...Kc1!)

1.Ta2! Kc1 2.Sd2 Kd1 3.Sb3 Ke1 4.Kg2 Kd1 5.Kf3 Ke1 6.Ta1#

 

 Bei einem französischen Komponistentreffen in Mulhouse im schönen Elsaß Anfang der 80er-Jahre benötigten die schnellsten Elitelöser ca. 10 Minuten, um dann kopfschüttelnd zu erfahren, daß der amerikanische Schachcomputer Belle nur 30 Sekunden gebraucht hatte, damals war Belle damit um ein Vielfaches schneller als alle bisherigen Programme! Das Stück wurde auch zur häufigen Testaufgabe für Schachcomputer und Löseprogramme, u.a. von Dr. Lindner in seinen frühen Mensch-Maschine-Vergleichen. Heute benötigt z.B. Alybadix keine Sekunde!

 

 Der Versuch, den Reichtum der Aufgabe durch Varianten zu steigern, schlug fehl: mit Sf1 statt auf f3 ergibt sich eine Variante mit bloßer Zugumstellung (1...Ke1 2.Kg2! Kd1 3.Kf3 usw.), auch ist die nicht verlängerbar - z.B. ergibt sich mit S®g1 und sK®c1 eine andere Lösung!

 

 Die Aufgabe sollte mich nie wieder richtig loslassen! Trotz SAM erkannte ich in Nr. 2 erst viele Jahre später eine direkte Geistesverwandschaft: die Idee des antikritischen Zuges wegen Sperrmeidung war also schon 1958 dargestellt worden! Auch die Form wies teilweise Übereinstimmungen auf: das gleiche Idealmatt mit Parallelogramm am Schluß, hier aber auch schon zu Beginn, also „Parallelogramm-Wechsel“ – ebenfalls eine – etwas anders begründete -  Letztform! In Nr. 1 ist immerhin der Schlüssel länger und effektvoller, auch nimmt der weiße König bei aktiver am Geschehen teil, möglich durch 6 statt 4 Züge, irgendwie gefiel mir Nr. 1 deshalb noch ein bißchen mehr, und Nr. 2 scheint mir daher ein klarer Vorläufer, aber kein vernichtender Vorgänger.

 

2

F. Blaschke

Schach-Echo 1958

Matt in 4 Zügen  C+

1.Tg6! Kh4 2.Sg7 Kh3 3.Sf5 Kh2 4.Th6#

 Damit war die Geschichte noch keineswegs am Ende angelangt ... Vor kurzem erst, im Jahre 1999 (!), entdeckte ich bei einem Besuch zusammen mit Hans Gruber in der Königlichen Bibliothek in Den Haag (zwecks he-chess 04 = Early Helpmates) Nr. 3, als Textnotation recht versteckt (bisher SAM entgangen?!) - ein überraschender und zugleich mysteriöser Fund!

 Ob Emanuel Lasker gemeint ist?! Sicherlich, aber dies dürfte nicht als Partieendspiel zitiert, vielmehr als Scherzaufgabe zu verstehen sein.

Angegeben ist „1.Ka2! (1.Kb1, Tb3, Tb5+, Tb6, Tb7, Tb1 Sd5?) Ka6 ...“ – ohne (!) Angabe der „eigentlichen“ Lösung meines Sechszügers (1.Ta8! usw.). Wenigstens keine so frühe Vorgängerschaft der Idee ...

 

3

Lasker (!!) - A.

Schachkuriosa

 (F. Lindgren, o. J.) S. 90 / 92 (Text)

„1.Ka2!“

,Da ich im Wenigsteiner seinerzeit keine Steigerungsmöglichkeiten mehr sah, kam nach Jahren die Idee einer Doppelsetzung auf: Nr. 4 zeigt die erreicht Form, die neben den thematischen Steinen bloß drei Bauern benötigt

 Give-and-Take-Schlüssel, Doppelsetzung des kritischen Zuges zwecks Sperrmeidung, auch zweimal Springeropfer, Echomatts und Echowendungen.

 

4

hilmar ebert

Stern, 28.2.1991

Matt in 7 Zügen  C+

 

1.Tg2! Kf1: 2.Ta2! Ke1 3.Sf2 Kf1 4.Kh2 Ke1 5.Kh3 Kf1 6.Sd3 Kg1 7.Ta1#

1...Kd1: 2.Ta2! Kc1 (!) 3.Sd2 Kd1 4.Sb3 Ke1 5.Kg2 Kd1 6.Kf3 Ke1 7.Ta1#

(1...a2? 2.Sb2 ...#4; 2...Ke1 3.Kg2 ... 7.Ta1#)

 

 Ob hier ebenfalls schon Letztform erreicht ist?! Für Hinweise auf konstruktive Verbesserungen (oder das mysteriöse Lasker-Stück) wäre ich dankbar! (hilmar.ebert@t-online.de oder http://www.hilmar-ebert.de). Auch die Steigerung auf eine Dreifach-Darstellung wäre schon einen Gutschein über mehrere Bände aus he-chess wert ...!

h.e.

 

Quelle / Source:

idee & form, Schweizerische Zeitschrift für Kunstschach, Jahrgang 17, No 66 / April 2000 S. 1914-1915.

(Herbert Angeli, Fellmattweg 11, CH-3065 Bolligen)

 

 

 

 

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