Achilles-Verse
Gedichte 1965 ff.
By Hilmar Alquiros
wochen
am montag fängt die woche an,
die arbeit und die sorgen -
am dienstag abend stell' ich dann
die uhr für mittwoch morgen
der donnerstag, er schleicht dahin,
ganz paradox und leise -
der freitag untergräbt den sinn
des worts in gleicher weise
der samstag kompensiert en gros,
der sonntag gilt als schontag -
entsetzt spürst du dann irgendwo
das ewige am montag ...
feedback
der mensch, der sicher auch schon dachte,
bevor er sich gedanken machte,
ließ sich vom denken nur beschenken
und dachte, ohne nachzudenken
doch ließen der gedanken mächte,
ihn überlegen, wie er dächte,
so trieben ihn des denkens grillen
zum denken um des denkens willen
bald denkt er viel und grübelt lang,
und mitten im gedankengang
dünkt ihn, daß er sich übernehme -
wozu denn solche denkprobleme?!
drum denkt er nunmehr mit bedacht
gedanken, die ihm zugedacht -
so lebt und stirbt er zweckgerichtet:
das denken hat sich selbst vernichtet ...
umzug
kisten schleppen, hämmern, dübeln,
voll im streß und halb bedeppert -
möbelpackern nicht verübeln,
wenn auch mal geschirr zerscheppert
und am ende tausend ecken,
wo was fehlt noch - nur geduld!
umzieh'n ist kein honigschlecken,
wer was sucht, ist selber schuld
streichst du dennoch unabwendlich
letzte pünktchen von der liste -
denke dran, du kommst schlußendlich
selbst in eine umzugskiste ...
regel-fall
circa achtungzwanzig tage
sind ein zyklus, geht die sage,
aber eine schöne reise
änderte die abzählweise,
ach - die regel kunterbuntert!
selbst der mond schaut ganz verwundert -
doch so mancher mensch verdankte
sich dem rhythmus, der so schwankte ...
zyklus
und immerwieder geht
der mond auf und ab
und dein auge auf und zu
und mein gedanke hin und her
und der anwalt vor gericht
und der sargdeckel zu
und das elend
von vorn los ...
tagung
auf die röcke, auf die hosen:
servietten für die saucen -
dame wartet auf ein wunder,
herr auf braten mit burgunder
thema eins, kollege zwei,
jeder schlabbert seinen brei -
wie gesagt, und obendrein,
schaun'se mal, wie hundsgemein
flattermänner, flitterdamen,
bilder ohne bild und rahmen,
wie's so geht? es läuft ... igitt -
und die zeiger laufen mit ...
arbeit
arbeit ist das glück der armen,
reichen bleibt es oft versagt -
denn sie wichen in den warmen
süden, zur safarijagd
kommen abgekämpft nach hause,
einsam schmückt ein fell die wand -
„harte arbeit!“, sagt herr krause,
vorstandsmitglied „Kies und Sand“ ...
funkverkehr
liebes ohr! wo bleibt das tönchen
kurz nach der synkopenbindung?
viele grüße, dein neurönchen,
furche berta, dritte windung
an zentrale drei strich b:
hier das linke ohr von ritschert
ton zum optischen relais
synästhetisch abgezwitschert!
selbstkritik
ein punkt
sprang um sich selbst
und sagte: dies ist kunst
eine gerade
eierte vor vergnügen
und sagte: kunst punkt punkt
da zog der punkt
die fühler ein und übte
selbstkritik ...
Schlusswort-Song
ob du gerne lebst oder auch nicht,
ganz allein oder lieber zu zwot -
ob du luxus magst oder verzicht:
steht am ende doch immer der tod
ob du kränklich bist oder gesund,
lieber fleisch essen magst oder brot -
ob du schlank schöner nennst oder rund:
steht am ende doch immer der tod
ob du stille liebst oder mal zoff,
oft mal außer dir bist, ob im lot -
ob du höflich bist oder mal schroff:
steht am ende doch immer der tod
ob du hosen bevorzugst, ob rock,
eher schlicht oder stets à la mode -
ob du tanzen gehst oder am stock:
steht am ende doch immer der tod
ob du weichherzig bist oder hart,
eher sanftmütig oder verroht -
lieber leidenschaftlich oder zart:
steht am ende doch immer der tod
ob du sinn für verrücktheiten zeigst,
du vernunft schätzt als höchstes gebot -
ob du schwatzsüchtig bist oder schweigst:
steht am ende doch immer der tod
ob du ehrgeizig bist oder faul,
dir erfolg oder kündigung droht -
ob du rassepferd bist oder gaul:
steht am ende doch immer der tod
ob du hitzig sein kannst oder cool,
eher blautöne magst oder rot -
ob du hetero bist oder schwul:
steht am ende doch immer der tod
ob du alkohol brauchst oder saft,
meditierst oder rauchst wie ein schlot -
ob dich stress oder müßiggang schafft:
steht am ende doch immer der tod
ob du höh'n oder tiefen durchlebst,
lieber bergmann bist oder pilot -
ob du weinst, ob auf wolken du schwebst:
steht am ende doch immer der tod
ob konsumfreudig, ob kreativ:
höchst genial oder doch ein idiot -
ob du edel bist, ob primitiv,
steht am ende doch immer - der tod!
restauranziges
schritte dampfen durch die münder,
schlucke klirren, keim um keim -
ober, zahlen! - ungesünder,
doch bequemer als daheim
zweimal mit und einmal ohne,
inbegriffen reingewinn -
und das sado-monotone
„hat's geschmeckt?“ im rachen drin
flüchtig glattgestrich'ne seelen
gabeln sich verzweifelt hin -
fühlen magensäfte schwelen,
nur die fragen bleiben drin ...
bahnfahrt
so hock' ich als gespenst in der maschine
und stelle antiformen des gedichts her -
bewahre innen haltung, außen miene,
und wund're mich so langsam über nichts mehr
die feder in der hand, sie malt und zittert,
als ob's das alter wär' und nicht etwa die bahn -
wie schön, daß mich der vers hier nur verbittert
statt autobiographisch ein roman ...
glaubensbekenntnis
ich glaube nicht (!)
an die vernunft,
an naturgesetze,
an einen freien willen,
an die abstammungslehre,
an die liebe,
an meinen hausarzt,
an die lichter der großstadt,
an erfolg,
an buddha,
an psychoanalyse,
an mich,
an gerechtigkeit,
an einen sinn des lebens -
nur noch an
werbung ...
angebote
wußten Sie schon, es gibt jetzt
gräber mit musik,
doppelsärge auf tuchfühlung,
leichen in aspik,
mit telefon und zugspülung ...
wußten Sie schon, es gibt jetzt
menschen ohne gräber,
berührungen ohne glück,
vergiftete schweineleber -
und keinen weg zurück ...
s-o-s
die galaxien dreh'n erhaben ihre kreise,
unmerklich schwillt das weltall an und ab -
nur auf der erde produziert man ständig scheiße
und nicht zu knapp
das universum schaut dem treiben auf der erde
unendlich unbeteiligt und gelassen nach -
die aber funkte schnell noch „shit“ und „merde“,
eh' sie zerbrach ...
bekehrung
der mond, des mondseins überdrüssig,
juristisch wortgewandt und flüssig,
bezeugte und belehrte
dass man in paragraphen fand,
die erde sei ein mond-trabant,
kurzum: er sei die erde!
da war der erde plötzlich klar,
wie relativ ihr dasein war,
bevor man sie bekehrte ...
ungetüm
ein ungetüm, das eines tags befand,
es sei allein, und dies sei allerhand
ging auf die suche nach verlor'nen größen -
und fand sich selbst, als widerpart des bösen
der namenswechsel war recht ungestüm:
es nennt sich nun getüm statt ungetüm ...
zeitverluste
blankgeputzte seelenstiefel
stolzieren fall um fall
in ein grab
gedankengips
blättert ab
im sarg
fehlt
die
uhr
fortpflanzung
aus einem ei
pellte sich ein gleiches,
außen kalk,
innen ein ganz weiches
einerlei!
auch ein eiweißreiches
geht (ei schalk!)
den weg allen fleisches ...
straßencafé
Rue St. Martin, à Paris,
soixante-et-un, vis-à-vis
thé, eine stunde lang -
straßenmusik mit gesang
klänge lateinamerikanisch,
text halb erotisch, halb spanisch,
stimmung lokalkolorit -
auch ein chlochard schmunzelt mit
gendarmerie zeigt verständnis,
publikum schätzt die erkenntnis,
vive la musique! c'est la vie -
Rue St. Martin, à Paris ...
bittermandeln
ein roter hals hat oft verkündet:
die mandeln haben sich entzündet -
wenn sich das elend noch erweitert,
dann sind sie obendrein vereitert
zunächst wird sich der arzt beeilen,
mit antibiotika zu heilen -
doch wiederholt sich jahr für jahr,
was anfangs ganz vereinzelt war
dann wird die sache anatomisch
zum dauerzustand, also chronisch -
besonders schlimm, nicht zu vergessen,
erlebt man mandeln mit abszessen
dann darf man sich nicht mehr genieren,
da hilft nur eines: operieren!
und sind die störenfriede draußen,
dann sind die schmerzen erst zum grausen
doch finden mittel sich und wege,
dank liebevoller krankenpflege -
am ende wirkt dann allzumalen
doch noch erlösung von den qualen
gesundheit ist ein fundament
des handelns, das man menschlich nennt -
doch kann man mit und ohne mandeln
durch höhen und durch tiefen wandeln ...
du-da
ein gott könnt' uns in seinem dasein
als kosmos schon unendlich nah sein
doch fügt die halbe menschheit zu,
er sei auch personales du
die erste lesart übernehm' ich
die zweite schein mir arg ... blasphemisch!
hinter-lassung
ewig juckt es, ewig kratzt man,
hält nicht inne und verpatzt dann
nach so manchem schönen anfang noch den rest
glaubt, dass es doch gehen müsste,
so, als ob man nicht längst wüsste,
dass das wesentliche sich nicht zwingen lässt
ewig spürt man, ist man ehrlich,
viele ziele als entbehrlich
und erkennt sich als das dümmste aller kälber
ist die mache unterlegen,
wirkt das lassen oft als segen,
all das merkt man hinterher dann ganz von selber ...
Pipapo-Song
ich liebe und ich bin verliebt,
ich leide und bin froh,
weil's halt kein glück auf dauer gibt -
das war schon immer so
ich geistere und bin begeistert
und brenne lichterloh,
das leben hab ich nicht gemeistert -
das war schon immer so
ich schreie und ich bin verschrien
in diesem menschenzoo,
mein leben ist nur ausgeliehen -
das war schon immer so
ich trete und ich bin betreten:
die welt des tae-kwan-do ...
so mancher schlag kam ungebeten -
das war schon immer so
ich nehme und ich bin benommen,
bald zärtlich und bald roh,
die weisheit wird im alter kommen -
das war schon immer so
ich gebe und ich bin vergeben
und wohne nirgendwo,
ich stehe hautnah knapp daneben -
das war schon immer so
ich treffe und ich bin betroffen,
das ist mein status quo,
doch bin ich für die zukunft offen -
das war schon immer so
ich suche und ich bin versucht,
mal kontra und mal pro,
ich bin gesegnet und verflucht -
das war schon immer so
ich rufe und ich bin berufen,
seit ich der angst entfloh,
mein weg hat viele kleine stufen -
das war schon immer so
ich liebe und ich bin verliebt
mit allem pipapo,
weil es nichts heiligeres gibt -
das war schon immer so ...
plurale
man rühmte stets die speisen omas,
vor allem wegen der aromas
war es doch stets ein gutes omen,
rühmt man an ihnen die aromen
bewusst bis in die komata -
sind oft noch die aromata ...!
mülltonnen-ode
nur unrat bildet dein geschick,
dein wert bleibt unermeßlich -
du bist zwar plump und bist zwar dick
und obendrein noch häßlich
doch schluckst du den gemeinsten dreck
in deinen grauen bauch
und steckst es ohne klage weg -
ach, könnt' ich das doch auch ...!
wohngemeinschaft
oberhalb der unterlippe
wohnt der geist in dem gerippe
unterhalb der zahnprothesen
haust der körper, nicht das wesen
geist und körper spür'n gemeinsam
'leben' irgendwie als peinsam ...
tier-liebe
es waren einmal zwei giraffen,
die schleckten aus einem topf -
die gelegenheit war wie geschaffen,
sie verliebten sich: hals über kopf!
es legten einmal zwei kamele
sich schüchtern so rücken an rücken -
doch wollt' die platonische seele
von wegen der höcker nicht glücken!
es führten einmal zwei garnelen
ein leben in ehestands-dramen,
bis sie endlich, nach langen querelen,
ins gericht (eines feinschmeckers) kamen!
es waren auch einmal zwei tiger,
die kämpften um jeden preis
um 'ne tigerin: einer blieb sieger -
ob's die sache nun wert war, wer weiß!
es schien mal zwei munteren igeln
ein grundloses sticheln nicht nett -
das sollte ihr schicksal besiegeln:
sie pieksten sich lieber im bett!
es gab da zwei schmetterlinge,
die war'n ineinander verliebt -
im fluge vollbrachten sie dinge,
die's anderswo so gar nicht gibt!
es waren einmal zwei schimpansen,
die waren das rumsitzen leid -
und fingen ganz wild an zu tanzen:
die wärter erblassten vor neid!
es mischten mal zwei orang-utans
ein affrodisiakum-fressen,
da war'n sie am ende des futterns
auf allerlei nachtisch versessen!
es hatten einmal zwei chinchillas
klavier zu vier händen versucht,
doch übten am ende des trillers -
sie lieber die pelztierzucht!
es waren einmal zwei kaninchen
schon lang überhaupt nicht vital mehr,
da legten sie sich vor's kaminchen -
und froren kein einziges mal mehr!
es war'n mal zwei teddybären,
die liebten sich innig und heiß,
da begannen sie sich zu vermehren -
millionenfach, wie man nun weiß!
es waren mal zwei elefanten,
die kannten im lieben kein maß mehr -
nachdem sie sich derart erkannten ...
da wuchs an der stelle kein gras mehr!
es waren einmal zwei gazellen,
die führten das küssen ganz schlicht aus -
auch liebten sie ungern im hellen,
drum knipsten sie immer das licht aus!
es wollten einmal zwei amöben
zwecks fortpflanzung mehr nur als teilung,
doch erwies sich ihr liebesbestreben -
als evolutions-übereilung!
es wollten zwei muske-tiere(!)
nicht ewig nur fechten und hauen,
da nahmen sie ihre papiere -
und küssten von nun an die frauen!
und zwei aus der gattung der menschen,
die hatten einander so lieb -
sie hielten sich zart an den händchen,
wobei es dann aber nicht blieb!
es waren mal zwei bernhardiner
von der bergwacht, so riesige kälber -
das waren zwei alte schlawiner,
die tranken den rettungsrum selber!
es waren einmal zwei reptilien,
die lagen gekrümmt hinterm strauch -
denn sie hatten zwei frau'n aus sizilien
samt krokodilledermantel im bauch!
zwiegespräch
kennen Sie lore?
nee!
lore ist mein frau.
was macht sie?
sie liebt ihn.
wen?
na, koko.
und der genügt ihr?
ja, alles kokolores ...
Lebenslauf
Null Jahre und ein erster Schrei:
Hurra, ich bin jetzt auch dabei!
Mit 10 sieht man am Firmament
Die Zeit, die man dann Jugend nennt.
Mit 20 ist man groß und stark -
Und nachts auch mal verliebt im Park ...
Mit 30 stapft man rastlos-rege
Und stolzgeschwellt die eignen Wege.
Mit 40 fängt man dann und wann
Am Selbstbild leicht zu kratzen an.
Mit 50, statt zu jubilieren,
Beginnt man schon zu bilanzieren.
Mit 60 muss man nichts beweisen:
Man geht in Rente und auf Reisen.
Mit 70 fühlt man froh und leise
Ein kleines bisschen sich schon weise.
Mit 80 spürt man unaufschieblich:
Das Alter wird allmählich biblisch!
Mit 90 schleicht dann obendrein
Ein Hauch von Gnade durchs Gebein.
Mit 100, fern dem Weltgetöse,
Ist jenseits man von gut und böse.
Mit 110 fragt man indessen:
Hat mich der Sensenmann vergessen?!
*
Das Leben kann, der Tod, der muss sein...
Drum muss mit Reimen nun auch Schluss sein!!
Grabspruch
Unter letzten Sinnesresten
Näht ein Flickenmantelmann
Siebzehn Sinne
Irgendwer mit steifen Gesten
Nummeriert am Ende dann
Null Gewinne ...
© by Dr.
Hilmar Alquiros, The
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